Dienstag_23_Dezember_2025

„Child in time“ von Deep Purple ist der!!! Weihnachtssong. Ohne ihn ist dieses Kling-Glöckchen-süßer-die-Glocken-Weihnachten nicht zu ertragen. Es gibt Weihnachtssongs, die treffen das Herz der Geschichte, das Herz der Weihnachtsgeschichte.

Weihnachten 2025. Ich sehe Maryam in ihrem dünnen Mantel und ihren großen braunen Augen auf dem Marktplatz von Cham tanzen. Ihre Hände greifen nach den mageren Schneeflocken, die der eiskalte Ostwind durch die Häuserzeilen weht. In ihrer Manteltasche steckt ein Behördenbescheid, darin Worte wie „vollziehbar ausreisepflichtig“. In ihren braunen Augen brennt die Sehnsucht nach ihren beiden Kindern. Im Irgendwo zerissen die Familie auf der Flucht. Ihr Schrei vereint sich mit dem Schrei von Ian Gillans – „Sweat Child in Time“. Mehr Menschen taumeln aus den nebeligen Gassen auf den Markplatz und tanzen mit den tief ins Herz dringenden Akkorden im eiskalten Ostwind zu „Child in Time“, vereinen ihre Schreie mit dem des Sängers Ian. Sara aus Äthiopien mit ihrem zweijährigen Sohn. Sie werfen ihr Schicksal in den Eiswind, lassen es tanzen mit den Flocken. Yusuf, ein junger Mann, die grazile Figur eines Tänzers, überlässt ein Foto seiner kleinen Tochter dem Ostwind. Mit all ihren Verbrennungen wartet sie jenseits der Grenze, dass sie zu ihrem Vater darf. Die Mutter fort, verschwunden im Nirgendwo. Auch Jusufs Stimme vereint sich mit der von Ian Gillan. „Child in Time“ – sie schreien gegen die Linie an, die zwischen ihnen gezogen.

Die Musik ist aus. Stille. Ich höre dem Ostwind zu, wie er vom Böhmerwald über die Wiese ums Haus heult, im Windspiel, das im kahlen Geäst des Kirschbaums hängt, sich verfängt, metallische Klänge erzeugt. Die Klingel schrillt. Erschrecken zuckt heiß wie ein Stromschlag durch mich. Da stehen sie vor der Tür: Maryam, Sara mit Ilyas, Yusuf das Foto mit seiner Tochter Hanna in der Hand. In dünnen Hemden. Blaugefroren die Lippen, mit großen Augen in denen etwas lodert. Die Tafel ist gedeckt, die Kerzen angezündet, die Musik schweigt. Ein stummes, üppiges Mahl. Wärme. Für einen Moment.

Danke, M.! Für die Erinnerung an diesen wunderbaren Song! Frohe Weihnachten. Es heißt die Liebe höret nimmer auf. Solange es Menschen gibt, oder …