Sonntag, 25.9.2016

Aiplspitze: Die felsige Wand scheint höher in den Himmel zu steigen, je näher wir ihr kommen. „Was zur Aiplspitze wollt ihr? Das ist doch so ein steiler Aufstieg“, hatte der Mann auf dem Parkplatz gesagt, der uns seinen Parkplatz überließ. Jetzt steht die Felswand mit ihren Spitzen vor uns. Im Gegenlicht. Vor die Sonne ziehen sich dunkle Wolkenfetzen, umhüllen das Felsmassiv. Der Berg hat sich aufgeplustert. Dramatisch. Drohend. Dabei ragt er lediglich 1759 Meter über den Meeresspiegel.  An uns ziehen auf dem schmalen steilen Steig schwer atmende, schweißnasse Menschen behend vorbei und verschwinden im düsteren Wolkennebel. Das Gipfelmassiv ist von Nebel umhüllt. Sonst nichts. Wir geben den Dingen Bedeutung.

Dienstag, 27.9.2016

In Murnau im Café des Franz Marc Museums sitzen wir auf dem Balkon mit Blick auf den Kochelsee. Drei ältere Damen kommen, setzen sich vor uns. Drei Damen im Seeblick mit pinkfarbenen Schal. Alles verwandelt sich an diesem Ort in ein Bild und das Gespräch der drei Damen in eine Talk Show: „Ja, mir ist das doch egal, was für eine Religion die haben, Hauptsache sie sind …“ „Natürlich kann man sich scheiden lassen, wenn man katholisch ist.“ „Der neue Papst kann sich da auch nicht durchsetzen und für die geschiedenen bessere Bedingungen schaffen.“ „In der Praxis fragt doch keiner, ob der geschieden ist, wenn er an den Altar tritt und Sakramente empfängt. Das ist doch egal.“ „Was nehmen wir denn zu essen. Die haben keine Renke. Die müsste es doch geben im Kochelsee.“

Mittwoch. 5.10.2016

Im Haus von T. Verwunschen. Alles wie vor dreißig Jahren. T. hört oben im ersten Stock Klaviermusik. Keiner würde merken, blieben wir in der verlassenen Wohnung. Einfach nur speisen, schlafen, lesen im Garten spazieren gehen, den Verlauf des Jahres beobachten: Die sonnengelben Blätter vom Kirschbaum, die den Rasen bedecken, der kranke Star, der auf dem Balkon gelandet ist füttern, dem Gesang der Amsel lauschen, die prallen Knospen der Seerosen auf dem Teich im Garten, das triefende klebrige Nass von den Blättern der Laubbäume im Sommer und der schwere Schnee wie er von den kahlen Ästen rutscht. Ein Leben folgt dem anderen Leben und immerfort ist Leben.