Freitag, 24. November 2017
Spaziergang von der Bayerischen Staatsbibliothek bis zum Odeonsplatz. 17 Grad. Sonne. Menschen sitzen in Straßencafés beim Schuhmann, beim Hofgarten, bei Starbucks. Eine junge Frau mit Kopftuch spricht mich an, ob ich für Frauen aus dem Irak spende. Sie zeigt mir Fotos. Nein, ich spende nur für Organisationen, die ich kenne.
Ein paar Meter weiter der Weihnachtsmarkt in der Residenz. Am 24. November! Macht hoch die Tore und vor allem weit auf. Etwas verloren stehen die Standlbetreiber, karg bestückt die Bratwurstroste. Die Menschen huschen durch die Stände, als wollen sie nicht erwischt werden bei etwas, dass sich nicht gehört. Wir haben noch nicht einmal Totensonntag. Totensonntag. Auf den wird pietätvoll hingwiesen mit Pappschildern: „Am Totensonntag geschlossen“. Wenn ich schon mal da bin, dann beiße ich rein in die obligatorische Weihnachtsbratwurst. Dann ist das abgehackt für dieses Jahr. Weniger Stress im Dezember. Kaufe mir beim BISS-Verkäufer noch eine BISS-Zeitung. „Leben mit dem Sterben“ steht auf dem Titelblatt.
Samstag, 25. November 2017
Wenn ich durch München spaziere, dann ist vieles wie vor siebenundzwanzig Jahren, als ich noch täglich in die Uni fuhr. In der Bayrischen Staatsbibliothek ist die Digitalisierung eingezogen, aber sonst vieles beim Alten. Die Lesesääle überfüllt, die Angestellten, die Bücher ausgeben und zurücknehmen, viele bekannte Gesichter. Der papierne Geruch vermischt mit der nasskalten Luft, die durch die großen Eingangstüren von der Ludwigstraße hereinzieht. Das Café an der Uni, der Obst- und Gemüseverkäufer am Südeingang der Uni, dessen Cabriolet um die Ecke parkt. Das gleiche braungebrannte Gesicht aus dem blauen Augen strahlen. Ein paar mehr Falten.
Und doch ist etwas anders. Im Strom der Menschen, die tagaus tagein durch die Theatertinerstraße, die Residenzstraße, die Maximilianstraße flanieren, schreiten, in Gedanken versunken gehen, mit einem coffee to go in der Hand, einer Einkaufstüte flackert etwas Nervöses. Eine Unruhe. Es ist als blase ein erstes Lüftchen durchs farbige Laub, als Vorbote für einen Sturm, der dann noch nicht kommt.