Donnerstag, 21. Juni 2018

Längster Tag im Jahr. Schönster Tag im Jahr. Allein wegen des Lichts.

Ist es nicht seltsam: Schriftsteller in allen Jahrhunderten begeben sich mit ihrem Schreiben auf die Suche nach Wahrhaftigkeit. Sie verpacken sie in Fiktion wie Goethe in seinem Werter seine tiefsten Empfindungen in die Geschichte eines anderen gepackt hat. Zeitgenössische Autoren begeben sich auf die Spuren von Wahrhaftigkeit in ihrem eigenen Leben. Autofiktionale Literatur entsteht. Knausgard und Maier verdichten ihre Lebensgeschichte zu Romanen, deren Protagonisten Karl Ove Knausgard und Andreas Maier sind. Bret Easton Ellis taucht in seinem Roman „Luna Park“ auf. Martin Amris in seinem Roman „Gier“.

Fiktion dient dazu sich dem Wahrhaftigen zu nähern, Fiktion ist ein Schutz vor dem Wahrhaftigen. Fiktion überhöht Wahrhaftiges. Fiktion bringt Wahrhaftiges erst hervor. Und dieses Wahrhaftige …, das können nur Bruchstücke sein.

Im politischen Kontext spricht die Welt von fake news, wenn der Präsident seine vermutlich für ihn wahrhaftigen Gedanken in die Welt posaunt. Ein Präsident ist halt kein Schriftsteller. Ein Präsident hat die Pflicht, ein Bewusstsein um die komplexen Einflussgrößen im Gewebe zu haben. Ein Präsident hat die moralische Pflicht, diese komplexen Einflussgrößen ins Spiel zu bringen. Aber was, wenn er Komplexität für Bullshit hält.

Freitag, 22. Juni 2018

Mit P. auf der Vernissage von Bernd Zimmer in Regensburg. „Alles fließt“ heißt die Ausstellung. Er zeigt Bilder und Holzschnitte, darauf Wasser, Bäume, Landschaften. Seine Bilder öffnen im Raum eine vierte und eine fünfte Dimension. Die Besucher verwandeln sich vor seinen Bildern in Bäume. Der ältere vitale Herr da, dessen blauen Augen funkeln, der gebeugt auf seinen Stock sich stützt und dessen grauen langen Haare im Zugwind wehen, der spöttisch in die Welt lächelt, verwandelt sich zu einem knorrigen weißen Baum im Abglanz von Mondlicht. Die junge Frau mit dem offenen klaren Blick und den neugierigen Augen, die durch die Säle wandelt und die Bilder betrachtet landet als wasserziehender Baum an einem Wasserkreisel.

Das Publikum sitzt in Stuhlreihen vor einem wandfüllenden querformatigen Gemälde. Kahle, bleiche Bäume von kalten Mondlicht angestrahlt ästeln sich von rechts und links in die Bildmitte. In der Bildmitte fließt dunkles Wasser zwischen den kräftigen totenbleichen Baumgerüsten in eine dunkle Ferne. Der Fluss hat einen dunklen Sog: Zwischen den Baumgerippen, die an manchen Stellen rot schimmern, hindurch zieht es den Betrachter mit dem Wasser auf ein dunkles Ziel zu, nirgendwo, verloren, im ewigen Fluss. Das Publikum sitzt in den Stuhlreihen, blickt auf das Bild. Der Betrachter ist immer ein Zuschauer, der kurz innerlich wankt, weil er den Sog spürt, aber stehen bleibt. „Flucht heißt die Arbeit“, sagt die Kuratorin Dr. Nina Schleif von der Ostdeutschen Galerie Regensburg. Das sei doppeldeutig zu verstehen.

Sonntag, 24. Juni 2018

Wortfindung!

„Monattag“ – gefunden in der Autobiographie „Selberlebensbeschreibung“ des Dichters Jean Paul (1763 bis 1825). Er beschreibt in einem Satz, der eine viertel Seite lang ist, den Tag seiner Geburt: „… – und zwar an dem Monattage [gemeint ist der 21. März 1763],wo, falls Blüten auf seine Wiege zu streuen waren, gerade dazu das Scharbock- oder Löffelkraut und die Zitterpappel in Blüte traten …“

Hatschi!