Samstag, 23. März 2019
Fenster und Türen sind geöffnet. Vögel zwitschern, die Frühlingssonne wärmt. Jemand spielt Klavier. Chopin. Schon ganz gut. Immer wieder Fehlgriffe, aber alles in allem fließend. Etwas schmerzt in der Herzgegend. Es ist als ströme eine Lebensmöglichkeit durch die offene Terrassentür heraus. Gedanken rasen zurück in der Zeit. An die Quellen und Kreuzungen, an denen die Lebensmöglichkeiten sprudelten, sich versammelten, andere für mich entschieden, ich entschied.
Montag, 1. April 2019
Gutshaus Ludorf – Mecklenburg-Vorpommern. Im Gutszimmer im Westflügel des 300 Jahre alten Hauses an einem breiten Fensterbrett sitzend mit Blick auf das Rondell, die alten Bäume entsteigen mir folgende Gedanken:
Die Permafrostböden beginnen aufzutauen und setzen Methan frei: In Kanada, an der Arktis, in Sibirien explodieren die Böden und schleudern Methan in die Luft. Wie viel Zeit bleibt uns – zehn, zwanzig, dreißig Jahre – um über die Geschichte von uns Menschen nachzudenken, über all das, was der Mensch geschaffen hat auf dieser Erde, auf der es seit 3,77 Milliarden Jahren Leben gibt. Über 300 000 Jahre nachdenken – als der homo sapiens, der das Feuer beherrschte und damit Kultur entwickelte, lebte. Das Ende der Menschheit, die letzten Atemzüge in ein, zwei, drei Dekaden. Die letzten Atemzüge für den Menschen, weil es viel Kohlendioxid, aber keinen Sauerstoff mehr gibt. Ein finaler Atemzug für alle Menschen dieser Erde – das ist prosaisch, das ist große Kunst. Ein großer und gleichzeitg simpler Abgang der Menschheit: Die Menscheit haucht das Leben aus. Vom jetzigen Zeitpunkt an kann man sagen: die Vergangenheit der Menschheit ist größer als deren Zukunft.